Solitäres Abenteuer – „Die Gilde der fahrenden Händler“

Gilden als Berufsverbände sind uns seit dem Mittelalter bekannt und sind aus vielen Fantasywelten nicht wegzudenken. Der Gedanke, dass wir gemeinsam mehr erreichen können beflügelt oft zu großen Taten. Trifft diese Feststellung auch beim Spiel „Die Gilde der fahren Händler“ zu?

Montags im SpielRaum wird es oft gespielt und darum hier kurz vorgestellt.

Worum geht's?

Bis zu 4 Personen gehören der Gilde der fahrenden Händler an und markieren rundenweise Landstriche, durch kleine 6-Ecke (Hexagone) dargestellt, um sich in der Welt auszubreiten. Dabei bergen sie Schätze aus alten Ruinen und Schiffswracks, errichten Türme, Dörfer und Handelsrouten und versuchen in jeder Ära möglichst viel Münzen zu erhalten, denn wer am Spielende die meisten Münzen besitzt, gewinnt eine Partie „Die Gilde der fahrenden Händler“.

Geht's auch etwas genauer?

Jede Person besitzt eine eigene Landkarte. Diese sind bei allen Spielenden identisch. Es gibt in Summe 4 verschiedene Landkarten mit unterschiedlichen Anforderungen. Statt nun wild drauf loszumarkieren wird eine Karte aufgedeckt, die eine Landschaft mit Platzierungsregeln zeigt. Nun dürfen alle Personen genau die Anzahl der Felder markieren und müssen dabei angrenzend von einem zentralen Feld aus beginnen.

Felder, die einen Bonus zeigen, gewähren ihn sofort. Wenn eine Ruine oder ein Schiffswrack abgedeckt wird, so wird eine Karte vom Stapel der Schatzkarten direkt gezogen und das Feld mittels kleiner Pappmarker markiert – wer hebt den gleichen Schatz schon mehrmals? Schätze sind hier individuelle Endwertungen, Sets aus Vasen, Münzen oder die Möglichkeit gleich einen weiteren Markierungswürfel nach den üblichen Regeln einzusetzen. Verbinden wir mittels unserer Markierungen Städte miteinander, so gewähren uns Handelsrouten einen ordentlichen Bonus. Dieser hängt von der Größe der Stadt ab. Die Größe entspricht der aufgedruckten Zahl. Schaffen wir beim Erkunden und Markieren sogar eine Region vollständig zu befüllen, so errichten wir ein Dorf.

Dieses Dorf wird erstens anders markiert und stellt zweitens in jeder weiteren Ära einen Anknüpfungspunkt dar, von dem aus ebenfalls gestartet werden darf. Das ist in doppelter Hinsicht wichtig – weil Dörfer Missionsziele erfüllen und das je eher desto besser und weil Dörfer eben als einzige Objekte in Spielerfarbe von einer Ära in die nächste auf der Karte verbleiben. Sämtliche Würfel, mit denen wir zuvor markiert haben werden abgeräumt um in der folgenden Ära wieder eingesetzt werden zu können.

In bester „Flip & Place“ Manier nutzen wir also alle die gleichen Aktionen und ordnen sie unterschiedlich an. In jeder Ära kommt dabei eine Sonderkarte hinzu: Mit den Römischen Zahlen I, II und III bzw. mit allen 3 Zahlen abgebildet gibt es individuelle Zugmöglichkeiten.

Im Thema versinken?

Wie der Name es schon vermuten lässt – als Gilde des Handels dreht sich im Spiel alles um Handel, Erkundung und am Ende des Tages (oder der Ära) um Geld! Es spielt sich schön und irgendwie nehme ich auch die eine oder andere Lücke im Mittelalter-/Fantasythema gern hin.

Vermutlich könnten wir auch als Kartografen Länder entdecken, als Botaniker Pflanzen bestimmen oder als Handwerker Mosaike puzzlen und es würde ähnlich funktionieren. Ich störe mich am Thema nicht, im Gegenteil ich erachte es als passend. Eine große Immersion ist jedoch nicht zu erwarten.

Was ist mit ... dem Spielmaterial?

8 Doppelseitig bedruckte Pläne, beschichtet. Spielmaterial in 4 Fabren und neutrale Türme aus Holz. Viele kleine Karten und jede Menge Plättchen aus Karton stecken im Spiel selbst. Das Material fühlt sich hochwertig an. Die Spielanleitung ist mitunter etwas knapp formuliert und gibt Beispiele, die das Regelwerk festigen. Für Abwechslung im Spiel sollen 4 verschiedene Szenarien sorgen.

Wäre „Die Gilde der fahrenden Händler“ ein Spiel aus der Kategorie Flip & Write – also eine Karte aufdecken und mit einem Stift etwas markieren, so würde sicher die mitunter etwas fummelige und nervige Verwaltung am Ende einer Ära leichter fallen. Allerdings wäre das Spielgefühl dann ein komplett anderes! So sehr ich manchmal an der Kleinteiligkeit des Materials verzweifle, so sehr habe ich dann auch jedes Mal wieder Spaß.

Fazit

Mit der Nominierung zum Kennerspiel des Jahres 2024 hat „Die Gilde der fahrenden Händler“ bereits gezeigt, das es auch künftig noch eine Weile in den Regalen der Spielhändler stehen wird und viel wichtiger noch: Auch daheim und an den Spieltischen häufiger anzutreffen sein wird.

Mit frischem Wind im Flip & Write Genre überzeugen mich Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert mit diesem schönen und runden Spiel. Die Wermutstropfen dabei – die Kleinteiligkeit beim Abräumen wenn die Partie von einer Ära in die nächste voranschreitet und die stete Suche nach einer Münze mit dem „richtigen“ Wert. Sie machen wie bereits erwähnt das Spielgefühl aus und gehören irgendwie zu einer Partie mit dazu und trotzdem frage ich mich immer wieder, was wäre wenn …

Montags im SpielRaum ist „Die Gilde der fahrenden Händler“ mittlerweile zum Selbstläufer geworden und wird immer wieder gern gespielt, erklärt und erneut gespielt. Kennerspieler sind hier ebenso gut aufgehoben wie Familienspieler, die sich an andere Spielmechanismen heranwagen und dabei den Anspruch etwas erhöhen wollen.

Dabei sollte von vorherein klar sein, dass hier nicht gegeneinander gespielt und irgendwie auch nicht so richtig miteinander. Gefühlt wird zwar um die Wette erkundet, eine echte Interaktion findet jedoch nicht statt. Ein solch friedliches Spiel ist ja auch mal gut – die eigene Planung wird nur vom Glück durch die aufgedeckte Karte auf die Probe gestellt.

Aus meiner Sicht wäre auch der graue Pöppel mit der Wahl zum Kennerspiel des Jahres verdient … doch das entscheiden zum Glück andere.

Idee: Matthew Dunstan, Brett J. Gilbert
Illustration: Gerralt Landmann
Verlag: Skellig Games (deutsche Lokalisierung)
Erscheinungsjahr: 2023


Personen:
1 – 4
Altersempfehlung: ab 14 Jahren (eigene Erfahrung ab 10 Jahren)
Spieldauer: 45 min