Simcity zu Tisch – „Suburbia Collector’s Edition“

Ich schaue auf die Marktauslage und beginne zu grübeln – sollte ich in meinem nächsten Zug lieber eine Farm in meiner Stadt errichten oder doch lieber das Anwesen mit Seeblick? Bei einer Farm würde ich von den Restaurants meiner Mitspielenden profitieren; die Immobilie gibt mir nur Extrageld wenn sie benachbart zu einem See platziert ist.  Ja, die Farm wird es werden – jetzt muss ich nur noch zum Zug kommen. Doch der Blick in das Gesicht meiner Mitspielerin Franzi verrät mir, dass sie die gleiche Idee hat. Mit einem in meine Richtung gewandten Grinsen im Gesicht verkündet sie, dass sie „gerne die Farm“ kauft, „nicht, dass sie am Ende keiner haben möchte und einfach im Markt vor sich hin dümpelt“.  Einen innerlichen Fluch ausstoßend erwidere ich ihr Grinsen und überlege, was ich tun soll. Denn durch das Wegnehmen des Bürogebäudes, wurde die Marktauslage um ein neues Plättchen ergänzt. In diesem Fall um ein Universität. Die bietet nochmal eine ganz neue Optionen …

Worum geht's?

SimCity – das (inoffizielle) Brettspiel beschreibt es eigentlich am Besten, denn Suburbia ist ein Plättchenlegespiel (auch „Tile-Placement“ genannt) in dem wir in die Rolle von Städteplanenden schlüpfen.

Ausgehend von drei Startplättchen (einem Wohngebiet, einem Industriegebiet und einem öffentlichen Park) erweitern wir unsere Stadt durch das Hinzukaufen und Anlegen neuer Plättchen und versuchen durch geschicktes Kombinieren und Platzieren der verschiedenen Gebäudearten (Residential, Industrial, Commercial, Civic, Lake) ein florierendes Metropolis zu erschaffen. Dazu benötigt man zum einen Geld, welches in Form von Einkommen rundenweise generiert wird (quasi das Pendant zu Steuereinnahmen), zum anderen Ansehen. Letzteres generiert Bevölkerung (= Siegpunkte) am Rundenende; und wessen Stadt am Spielende die größte Bevölkerung beherbergt, gewinnt. 

Geht's auch etwas genauer?

Die Regeln von Suburbia sind simpel und schnell erklärt: Kauf ein Plättchen vom Markt, erweitere damit deinen Stadtplan, erhalte Einkommen (oder zahle Schulden), passe deine Bevölkerung und dein Ansehen an und fülle den Markt mit einem neuen Plättchen auf. That’s it – auch Wenigspielenden sind diese Grundregeln innerhalb von 3 Minuten erklärt. Der Spielspaß/Clou steckt im Detail:

Jedes Plättchen löst einen Soforteffekt aus, welcher meistens daraus besteht, das Einkommen oder Ansehen der Stadt zu verändern  – und ja, das geht sowohl nach oben als auch nach unten (Wer eine Mülldeponie neben sein Wohngebiet baut, verliert eben an Ansehen, macht damit aber Kohle). Darüberhinaus, lösen die meisten Plättchen einen konditionierten Effekt aus: das reicht von „Erhalte $2 für jedes deiner Wohnviertel“ über „-1 Ansehen wenn angrenzend an ein Industriegebiet“ bis hin zu „Erhalte +1 Ansehen für jede Schule im Spiel“. 

An der Formulierung der bedingten Effekte lässt sich die Komplexität erahnen: Effekte wie „jede Schule“ oder „jedes Restaurant“ beziehen sich auch auf die Städte der Mitspielenden – zur richtigen Zeit gekauft und platziert, können diese Plättchen die Einkommens- oder Ansehensleiste nach oben rauschen und beim Spielenden ein wohliges Grinsen der Zufriedenheit übers Gesicht huschen lassen. 

Abgerundet wird das Ganze durch 2 Dinge:

  • Verbesserungsmarker: anstelle dem Erwerb eines neuen Plättchens kann auch ein Verbesserungsmarker auf einem bereits in der Stadt gebauten Plättchen platziert werden. Dies hat zur Folge, dass der bedingte Effekt des auf diesem Weg verbesserten Stadtplättchens doppelt gezählt wird (z.B. „+2 Ansehen für jede Schule“ anstelle +1).
  • Zielwertungsplättchen: Diese belohnen die Spielenden mit zusätzlichen Bevölkerungspunkten für das Erreichen bestimmter Vorgaben, wie z.B. „Besitze das größte zusammenhängende Seegebiet“ oder „Besitze am Spielende das geringste Einkommen“. Jede Person erhält zu Beginn der Partie 2 individuelle Zielplättchen und darf eines davon behalten. Zusätzlich liegen offene Zielwertungsplättchen aus. 
Im Thema versinken?

Die Spieleschachtel verspricht Städtebau – und das Spiel liefert das auch ab. Vor meinem Auge entsteht peu à peu eine schön illustrierte Städtelandschaft. Die Plättchen entsprechen dem, was man eben von einer Stadt erwartet: Restaurants, Flughäfen, Bürogebäude, Seen, Parkanlagen, Wohngebiete, Schulen usw.

Doch nicht nur die Illustrationen repräsentieren das Thema  – auch die Plättcheneffekte sind gut überlegt und tragen zur Immersion bei. Die weiter oben im Artikel erwähnte Mülldeponie ist dafür nur ein Beispiel. Ein Flughafen neben einem Wohngebiet – das war es mit dem Ansehen. Mehrere Bürogebäude nebeneinander – da klingelt die Einnahmenkasse. Ich jedenfalls habe mich wieder an mein Jugendzimmer und die endlosen Stunden mit SimCity zurückerinnert.

Was ist mit ... dem Spielmaterial?

Premium – viel mehr kann man dazu nicht sagen. Die Deluxe-Edition, die sich in meinem Besitz befindet, hat ihren Namen redlich verdient. Der Karton ist bis oben hin voll von dicken, schön illustrierten Pappplättchen, Holzmarkern und Dual-Layer-Boards, sowie haptisch tollen Metallmünzen. Brettspielerherz, was willst du mehr? Ein richtiges Insert! Doch auch hier macht Bézier Games alles Richtig. Das Insert gehört zu den durchdachtesten, die ich je gesehen habe. Es verrutscht nichts, es wackelt nix und es ist modular aufgebaut, sodass der Aufbau des Spiels in wenigen Minuten erfolgen kann. Viel besser kann man das nicht machen; außer vielleicht die Farbauswahl des Kunststoffs – aber das ist wirklich meckern auf sehr, sehr hohem Niveau.

Fazit

Falls es bisher noch nicht deutlich wurde – Suburbia hat mich von der ersten Partie an sofort in seinen Bann gezogen. Als langjähriger SimCity-Fan hat das Spiel bei mir die Synapsen stimuliert, die bereits der Videospielklassiker als Jugendlicher getriggert und für viele schlaflose Nächte gesorgt hat. 

Suburbia macht dabei aus meiner Sicht alles richtig: Die Kombinationsmöglichkeiten aus sich gegenseitig ergänzenden Plättcheneffekten sind enorm. Dadurch, dass sich diese auch auf die Städte der Mitspielenden beziehen können, kommt es zu viel Kommunikation am Tisch. Schadenfreude beim Wegnehmen eines Plättchens aus der Marktauslage nur damit man den Mitspielenden eins auswischen kann? Absolut! (Ja Franzi, ich schaue dich gedanklich nochmal an). Der Wiederspielwert ist dadurch enorm hoch und wird durch die 5 Erweiterungen, die allesamt in der Deluxeversion enthalten sind, noch einmal erhöht; denn diese sind nicht nur „more of the same“ sondern führen mit „Stadtgrenzen“ noch einmal eine völlig neue Mechanik in das Spiel ein. 

Suburbia ist nicht das komplizierteste Spiel. Im Gegenteil, die Grundregeln sind in wenigen Minuten erklärt. Durch die vielzähligen Kombinationsmöglichkeiten der Plättcheneffekte und Zielwertungsplättchen ist Suburbia jedoch ein komplexes Spiel – und daher im Kennerspielbereich einzuordnen ist. Wenigspielende sind sicherlich von der Anzahl der Möglichkeiten schier überfordert, können aber von einem erfahrenen Spielenden sehr gut an die Hand genommen und in die wunderbare Welt des Städtebaus eingeführt werden. 

Einziger Wehrmutstropfen, zumindest für die Deluxe-Version: Die Mitspielenden müssen der englischen Sprache nicht völlig abgeneigt sein, denn das Spiel ist nicht auf deutsch erhältlich. Schulenglisch ist aber für ein flüssiges Spiel völlig ausreichend. Die auf deutsch bei Lookout Spiele erschienene Version „Suburbia“ samt Erweiterung „Suburbia Inc.“ ist seit Jahren leider vergriffen.

Idee: Ted Alspach
Illustration: Ted Alspach et al.
Verlag: Bézier Games
Erscheinungsjahr: 2012 (2. Edition)


Personen:
1-5
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Spieldauer: 90-120 Minuten