Die Entstehungsgeschichte ist gar zu süß um sie nicht zu erzählen. Matúš Kotry, der Entwickler des 2014 erschienenen Spiels „Die Alchemisten“ ist mittlerweile Vater und seine Tochter im Alter um Spiele zu spielen. Jeder, der „Die Alchemisten“ kennt oder gar gespielt hat, weiß um dessen Komplexität. So haben Vater und Tochter einfach mal Tränke zusammengeworfen um zu schauen was passiert. Was ursprünglich durch das digitale Spiel „Skyrim“ inspiriert wurde findet nun eine Neuauflage mit dem Titel „Die kleinen Alchemisten“. Ob es sich um eine Weiterentwicklung handelt oder nur ein brühwarmer Aufguss ist, erfährst du hier!
Worum geht's?
Wir sind als Kinder auf dem Anwesen unseres Großvaters und finden dort Zutaten, die wir in einen Kessel werfen. Das Ergebnis teilen wir den anderen Personen am Tisch mit, jedoch wissen sie nicht, weile Zutaten wir verwendet haben, das bleibt geheim. Als Gedächtnisstütze markieren wir das auf unserem persönlichen Ergebnistableau – natürlich hinter einem Sichtschirm. Das tun wir reihum bis wir das Spielende erreichen und am Ende die Siegpunkte zählen. Wer die meisten hat gewinnt. Damit der Einstieg nicht zu komplex wird, steigert sich das Spiel über 7 Level in seinem Anspruch.
Dank dieser Besonderheit schafft „Die kleinen Alchemisten“ einen Spagat den viele sich weiterentwickelnde Spiele nicht hinbekommen. Erstens lernen wir spielend die komplexeren Regeln hinzu, zweitens ist jederzeit der Schritt zurück zu den einfacheren Schwierigkeitsgraden möglich. Kein Material wird zerstört oder auf Dauer unkenntlich überklebt. Prima!
Geht's auch etwas genauer?
Schon klar, Tränke brauen allein ist spätestens ab dem zweiten Wettstreit etwas monoton. Was Kindern vermutlich noch viel Freude bereitet und niemals langweilig wird, wird für größere Kinder nochmal interessanter mit fortschreitendem Schwierigkeitsgrad. Sammeln wir als Team gemeinsam eine bestimmte Anzahl an Schlüsseln, so dürfen wir die nächste Box öffnen und es kommt neues Spielmaterial mitsamt Regelwerk hinzu. Die Seiten der Anleitung, die zuvor mit einem Siegel zugeklebt waren, dürfen nun geöffnet werden.
So kommen über 7 Level weitere Tränke, Zutaten, Kunden und auch Artefakte hinzu. Für Spielerfahrene wird es ab Level 6 interessant und bleibt es auch in Level 7. Denn wie bereits beim Vorgänger „Die Alchemisten“ werden wir auch Theorien aufstellen und zwar am besten vor allen anderen um die begehrten Siegpunkte zu erhalten. Mittels logischen Überlegungen und gekonntem Deduzieren ist es so dann oft nur eine Frage der Zeit, bis alle Theorien veröffentlicht wurden und das Spiel endet. Artefakte, Siegpunkte durch Theorien und übrig gebliebenes Gold zählen nun die Punkte. Da eine Partie auch zu viert in gut 30 min gespielt ist, ist auch schnell eine zweite gespielt – egal ob als Revanche oder um weitere Schlüssel zu erhalten.
Im Thema versinken?
Als kleine Alchemisten dürfen wir unserem Entdeckerdrang und unserer Neugier nach Herzenslust nachgehen. Was passiert wohl wenn ich Skorpion und Alraune in einen Topf werfe? Eine App gibt hierüber Auskunft, und der Großvater spricht zu uns. Kleine Animationen zwischen den einzelnen Leveln halten die Neugier hoch und sind absolut unbedenklich für die angegebene Altersgruppe ab 7 Jahren.
Was ist mit ... dem Spielmaterial?
Hochwertig – relativ feste Pappplättchen ersetzen die kleinen Karten der Zutaten, die Vorlage zum Scannen sowie die individuelle Ergebnistafel sind Double-Layer, da verrutscht nichts und hält obendrein eine Menge aus.
Die App ist intuitiv bedienbar und auf das wesentliche reduziert ohne dabei schmucklos zu wirken. Einzig der Umstand, dass es eine digitale Unterstützung in einem analogen Spiel ist mag die eine oder andere Person als störend empfinden. Ich finde es passt hervorragend und gehört zum Spiel dazu. Der Scanvorgang klappt mittels Smartphone hervorragend, bei schwachem oder blendendem Licht muss etwas korrigiert werden.
Fazit
Alles was ich an „Die Alchemisten“ als etwas hakelig empfinde, ist in „Die kleinen Alchemisten“ weg. Im Fachjargon würde man von gestreamlined sprechen und genau das finde ich hier. Statt zwei Spiele in einem zu haben – einen Workerplacementpart und einen Deduktionspart – konzentriert sich „Die kleinen Alchemisten“ auf das, was – Matúš Kotry mit seiner Tochter am meisten Spaß macht – Tränke brauen!
Schnell ist nach einer Partie eine zweite und hin und wieder auch direkt eine dritte gespielt. Von Kartenspielen mal abgesehen schaffen das nicht so viele Spiele. Es macht einfach Freude, die verschiedenen Zutaten in den Topf zu werfen und zu schauen was dabei entsteht. Idealerweise liegt ein passender Kunde aus, der mir den Trank direkt abkauft und schon läuft es. Wenn ich jetzt noch ein Artefakt in die Finger bekomme und in der nächsten Runde eine Theorie veröffentliche …
„Die kleinen Alchemisten“ richtet sich in erster Linie an Familien, das Einstiegsalter mit 7 Jahren erscheint passend gewählt – ein Smartphone kann in dem Alter eh mittlerweile fast jedes Kind halten und mit der Kamera auf zwei Zutaten ausrichten. Durch die Skalierbarkeit werden vermutlich relativ schnell Grenzen erreicht, so dass das Spiel zum einen Mitwachsen kann und zum anderen auch in Partien mit „größeren Kindern“ noch einen gewissen Anspruch hat. Level 7 ist durchaus gehobenes Familienspiel an der Grenze zum Kennerspiel.
Bleibt nur zu hoffen, dass es in vielen Spielrunden genau so eine Wirkung hat wie in meinen. Die Jury zum Spiel des Jahres sollte aufmerksam auf diesen Titel zu gehen, ich sehe hier großes Potential und wäre zum heutigen Tag enttäuscht, wenn es nichtmal auf der Longlist Erwähnung findet. Lieber Matúš und Familie und die ganze Czech Games Edition und HeidelBÄR Games Familien – viel Erfolg!
Idee: Matúš Kotry
Illustration: David Cochard, Štěpán Drašťák, Dávid Jablonovský, František Sedláček
Verlag: Czech Games Edition / HeidelBÄR Games im deutschen Vertrieb
Erscheinungsjahr: 2024
Personen: 2 – 4
Altersempfehlung: ab 7 Jahren
Spieldauer: 20 – 40 Minuten